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Wir haben uns zu einem sehr spannenden Gespräch mit Katja Thiede und Silvia Steude, GF und Gründerinnen JuggleHUB Coworking mit Kinderbetreuung in Berlin getroffen. Was wir alles wissen wollten und uns die beiden Gründerinnen erzählt haben, lest ihr im folgenden Interview.

Work Life Balance auch im (TEC) Start Up – ist die schillernde Welt der StartUps nur etwas für kinderlose Singles?

Dann beginnen wir gleich mal mit der Frage: Ist die schillernde Welt der StartUps nur etwas für kinderlose Singles?

KT: Die Welt der StartUps ist gar nicht so schillernd, wie viele denken. Die StartUp-Szene ist sehr heterogen. TEC StartUps, die zum Beispiel im Bereich Mobile, Apps oder IT arbeiten,  ziehen eher Investoren an. Andere mit dem Fokus auf dem sozialen Bereich kämpfen oft ums Überleben oder scheitern in der ersten Gründungsphase. Mit Kindern kommen dann weitere Herausforderungen hinzu. Grundsätzlich fallen für Gründer*innen eines StartUps viele Aufgaben an, die auch mit einer Familie bewältigt werden müssen. Auffällig ist, dass insbesondere Mütter oft mit Ideen gründen, die dabei helfen sollen, Eltern zu entlasten. Diese Ideen lassen sich aber nicht immer in funktionierende Geschäftsmodelle übersetzen, was es schwer macht, an eine Finanzierung zu kommen oder langfristig zu überleben. Das wären mal interessante Fragen für eine Studie: Wer gründet wie? Gründen Menschen mit Kindern anders? Wie werden sie gefördert? Gründen Väter anders als Mütter?

Es gibt also auf die Frage, ob die Welt der StartUps nur was für kinderlose Singles ist, sehr vielschichtige Antworten, deshalb gebe ich ein klares Jein.

SS: Ich kenne viele Leute, die mit Kindern gegründet haben. Neben dem Faktor Kind gibt es meiner Erfahrung nach auch Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen StartUps. Frauen sind, genau wie in „klassischen“ Unternehmen, Vorurteilen ausgeliefert: wer mit 30 gründet, könnte ja in zwei Jahren schwanger werden. Also lieber nicht in sie investieren.

Stellt uns doch bitte den JuggleHUB kurz vor und nennt 3 Attribute, die euer StartUp auszeichnen.

SS: Der JuggleHUB ist ein Coworking Space, an dem wir Konzepte Neuen Arbeitens erproben, angefangen mit dem Nebeneinander von Arbeit und Familie. Um dies zu ermöglichen, haben wir neben flexiblen Arbeitsplätzen, Meeting- und Veranstaltungsräumen und Team-Büros auch einen separaten Flügel mit Kinderbetreuungs- und Schlafraum. Hier kümmern sich Betreuerinnen um die Kinder, während die Eltern einige Türen weiter arbeiten, Veranstaltungen und Meetups besuchen oder Kundentermine abhalten. Eltern und Kinder können zwischendurch Zeit miteinander verbringen, wenn sie möchten. Das Herz des JuggleHUB ist eine Community aus Menschen mit unterschiedlichen Talenten und aus vielfältigen beruflichen Richtungen. Es gibt regelmäßige Community-Events und Formate, die den Austausch untereinander fördern. Das alles in kreativen Räumen. Uns ist wichtig, dass unser Angebot nicht nur unter Selbstständigen und StartUps Anklang findet, sondern zunehmend auch Unternehmen inspiriert, neue Wege zu gehen. Mit ihnen setzen wir Pilotprojekte für neues Arbeiten um.

KT: Meine drei Attribute: work & play, visionär, unprätentiös.

SS: Familiär, gesellschaftsrelevant, multigenerational.

Mittlerweile haben wir 3 Generationen im JuggleHUB: Kinder, Gründer*innen um die 30 und Senioren. Über die letztgenannte Gruppe denken wir gerade verstärkt nach, zum Beispiel, wie wir sie in Fragen der Digitalisierung begleiten können. Aber auch: wie können wir aus ihren Erfahrungen lernen?

Wann und warum habt ihr den JuggleHUB ins Leben gerufen?

KT: Wir haben im Juni 2016 gegründet. Etwa ein Jahr zuvor haben wir mit der Planung begonnen. Es brauchte meines Erachtens einen Ort, an dem beides möglich ist: Arbeit und Kind. Ich hatte oft das Gefühl, man ist mit Kind fehl am Platz, wenn man sich als Mutter auch zu anderen Themen austauschen möchte. Der Austausch mit anderen Müttern hat dies bestätigt. Gleichzeitig kam in der Elternzeit bei mir ein starkes Bedürfnis auf, selbstbestimmt zu arbeiten.

SS: Ich habe als angestellte Architektin gearbeitet. Die Flexibilität als Arbeitnehmerin war da nicht gegeben mit Kind. An Kitaschließtagen oder durch die kurzen Öffnungszeiten der Kita stieß ich immer wieder an Grenzen. Ich hatte zuvor viele Jahre in New York gearbeitet.  Dort gab es ein Betreuungsangebot, das sich an den Eltern orientiert hat und nicht umgekehrt. In Berlin habe ich mir dann Gleichgesinnte gesucht. Insbesondere die Frauennetzwerke haben mich sehr inspiriert und motiviert, selbst tätig zu werden. Es brauchte einen Ort, wo all diese Frauen – zu dem Zeitpunkt waren es hauptsächlich Frauen, nach Eröffnung kamen auch viele Männer hinzu – arbeiten, sich weiterentwickeln und sich austauschen können, sei es zur Gründung oder zu anderen Themen.

War die Gründung als Mutter/mit Kind schwieriger als wärt ihr Singles gewesen?

SS: Wir haben ja etwas gegründet, was dieses Thema aufgreift. Aber auch wir haben Erfahrungen gemacht, bei denen wir nicht wissen, ob es an der Tatsache lag, dass wir Mütter sind. Unser erster Kredit etwa wurde abgelehnt ohne richtige Begründung. Beim zweiten Anlauf hatten wir dann Unterstützung und es hat geklappt. Schon die Gründungsphase war für uns ein Vollzeitjob und sehr organisationsaufwändig. Wichtig war aber, dass wir beide wussten: wir gründen nicht allein.

KT: Ich habe natürlich nicht den Vergleich, da ich nie ohne Kind gegründet habe. In jedem Fall hatten wir Glück mit den Rahmenbedingungen. Wir hatten Unterstützung, etwa durch unsere Partner, die uns den Rücken frei gehalten und uns auch finanziell unterstützt haben. Die Familie und das Netzwerk sind in dieser Phase sehr wichtig. Ohne ist es, denke ich, schwer bis unmöglich selbst zu gründen. Vielleicht ist es für TEC StartUps einfacher, da man von überall arbeiten kann. Das ist bei einem Gründungsvorhaben, das an Räume gebunden ist, natürlich anders. Teamwork auf allen Ebenen ist unabdingbar.

Hättet ihr JuggleHUB auch ohne Kinderbetreuung gegründet?

SS: Nein. Grundgedanke und unser Ziel waren es, Arbeit und Kinder zu vereinen. Die Tatsache, dass Kinder hier willkommen sind, schafft eine besondere Atmosphäre.

KT: Ohne dieses Konzept hätte ich nicht gegründet. Erst war es „Arbeiten und Kinderbetreuung“. Jetzt denken wir darüber nach, wie wir uns weiterentwickeln können, hin zu einem Konzept, das alle Gesellschaftsbereiche verbindet. Daher auch die Beschäftigung mit neuen Zielgruppen, wie Senioren.

Was unterscheidet eure Kinderbetreuung von der staatlichen Kita?

SS: Staatlich bedeutet: fest, Vollzeit, mit Vertag und Förderung. Unsere Kinderbetreuung ist flexibel, nicht oder nur bedingt gefördert und ungebunden. Angepasst an flexible Arbeit eben. Außerdem konzentrieren sich unsere Betreuerinnen individuell auf jedes Kind, da es keine festen Gruppen gibt. Um das leisten zu können, haben wir einen Betreuungsschlüssel von einer Betreuerin zu drei Kindern. Da wir kein dauerhafter Kita-Ersatz sind, gibt es keinen festen pädagogischen Rahmen. Es geht vor allem ums Spielen und kreativ sein. Eltern nutzen uns hauptsächlich bei Betreuungsengpässen.

Nutzen alle Mitglieder mit Kindern die Kinderbetreuung?

SS: Nein. Es ist auf der einen Seite natürlich eine Kostenfrage. Nicht jeder möchte und kann es sich leisten. Aber die Gewissheit, dass man es jederzeit nutzen könnte, ist für viele beruhigend.

KT: Einige haben ihre Kinder auch bereits in der Kita und nutzen das Angebot vor allem, wenn Schließtage anstehen.

Wer arbeitet im JuggleHUB?

KT: Tendenziell Menschen über 30, die klare Vorstellungen haben, wo es beruflich hingehen soll und die sehr fokussiert sind. Was die Branchen angeht, ist es bunt gemischt. Bei uns arbeiten Menschen mit Expertise in IT, Grafik, Beratung, Architektur, Medien, Marketing und vielem mehr. Nicht alle haben Kinder. Uns ist wichtig, dass es keine Unterteilung in Eltern und Nicht-Eltern gibt. Das passiert im täglichen Leben und Arbeiten leider oft genug.

Was bedeutet Work Life Balance für euch?

KT: Ich mag das Wort nicht, weil es Druck erzeugt. Als müsste man im Leben immer die Balance finden, um glücklich zu sein. Ich halte es eher für erstrebenswert, seinen eigenen Weg zu gehen und das wilde Leben, das Kinder mit sich bringen, anzunehmen und lieben zu lernen.

SS: Durch die Selbstständigkeit hat mein Leben eine für mich gute Balance: wir teilen unsere Zeit und Aufgaben selbst ein. Früher fühlte ich mich wie in einer zu kleinen Parklücke, in der ich nicht navigieren konnte. Mittlerweile kann ich immer für mein Kind da sein, wenn es notwendig ist oder wenn ich es möchte und das ist sehr entspannend.

Welche Unterschiede zur Work Life Balance seht ihr mittlerweile und im Vergleich zu euren letzten Jobs im Angestelltenverhältnis ?

KT: Bei mir ist die Arbeit immer präsent. Das kann man positiv oder negativ sehen. Und auch hier habe ich nicht den direkten Vergleich: als ich angestellt war, hatte ich kein Kind und als Selbstständige war ich bereits Mutter. Ich habe aber schon immer viel neben der Arbeit gemacht und mich in verschiedenen Projekten engagiert. Glücklichsein und viel arbeiten gehörten für mich immer zusammen.

SS: In meinem früheren Job als Architektin hatte ich oft Termindruck und Deadlines, die schlecht mit dem Kind zu vereinbaren waren. Das hat sich zum Positiven verändert.

Warum haben viele Menschen Angst vor dem Schritt in die Selbstständigkeit?

KT: Ich denke, es ist vor allem finanzielle Unsicherheit. Bei nicht-räumlichen Projekten macht es daher Sinn, sich neben einer Erwerbstätigkeit etwas aufzubauen. Mit dem JuggleHUB wäre das aber nicht möglich gewesen. Da ging nur „Ganz oder gar nicht“.

SS: Ich denke, viele scheuen den Aufwand: Kunden gewinnen, Aufträge generieren, Räume füllen, Fixkosten decken – das kann schon beängstigend sein.

Wie sind eure Erfahrungen: Gründen mehr Männer oder mehr Frauen? Warum?

KT: Es gründen mehr Männer. Laut StartUp-Monitor liegt der Frauenanteil unter den StartUp-Gründer*innen bei nur 13 Prozent. Bei den Selbstständigen weiß ich es nicht genau, könnte mir aber vorstellen, dass es auch dort etwas mehr Männer sind.

SS: Nicht zu unterschätzen ist die Frage der Qualität der Selbstständigkeit. Wir beobachten, dass  gerade Frauen und Mütter aus dem Bedürfnis heraus gründen, etwas „Sinnvolles“ zu tun. Aber leider ist das nicht immer langfristig und lukrativ gedacht.

Was macht eurer Meinung nach ein erfolgreiches StartUp aus?

KT: Entscheidend ist, dass das Unternehmen relevant ist und einen Nutzen bringt. Erfolgreich ist, wer reale Bedürfnisse bedient und Probleme auf längere Sicht löst. Und dann auch auf Dauer kein externes Investment benötigt,  Dass die Gründer*innen davon leben können, ihre Mitarbeiter*innen fair bezahlen und etwas für die Rente zurücklegen können, ist natürlich auch wichtig.

SS: Wenn nach einer Millionen-Investition und zwei Jahren Hysterie ein StartUp verpufft, ist es für mich nicht erfolgreich.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Das Interview führte Steffi Maaß.

Weitere Infos zum JuggleHUb gibt es unter www.jugglehub.de

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